Archiv für Hohenmölsen-Nord

Rückblick auf die Umsiedlung Dobergasts

Auch wenn sich der ehemalige Dobergaster Georg S. mittlerweile in Hohenmölsen eingelebt hat, so vermisst er weiterhin das Dorfleben. Gerade die Art und Weise, wie die Umsiedlung über den Willen der damaligen Dorfbewohner hinweg durchgeführt wurde und die – im Vergleich zu den Umsiedlungen nach 1989/90 – niedrigen finanziellen Entschädigungen, verärgern viele ehemalige Dobergaster wie Georg S. immer noch. Auch die verbesserten Wohnverhältnisse in Hohenmölsen-Nord ändern daran nichts.

 

Es ersetzt mein Dorf nicht

 

Selbst seinem Sohn Maik, der die Umsiedlung nur als Kind miterlebte, fehlt das Dorfleben bis heute.

 

Der Sohn will aufs Land

 

Im Vergleich zu den Umsiedlungen von Bösau und Großgrimma nach dem Ende der DDR hätten die Dobergaster lediglich ein “Gardinengeld” erhalten.

 

“Gardinengeld”

 

Auch vor dem Hintergrund des Ausstiegs aus der Braunkohle bewertet Georg S. die Umsiedlung Dobergasts als Fehler.

 

In Anbetracht des Ausstiegs

 

(Text: cs, Interview: asm, jw)

Ankunft in Hohenmölsen-Nord

Viele Dobergaster werden Anfang der 1980er Jahre in die neu entstandene Plattenbausiedlung in Hohenmölsen-Nord umgesiedelt. Das neue Wohngebiet bietet im Vergleich zu den alten Häusern und Wohnungen in Dobergast einige Annehmlichkeiten, wie eine bessere Wärmedämmung, Zentralheizung und fließendes Warmwasser. Vielen ehemaligen Dorfbewohnern wie Georg S. fehlt jedoch das Gemeinschaftsgefühl, das es in Dobergast gab. Entsprechend ambivalent stehen sie ihren verbesserten Wohnverhältnissen gegenüber.

 

In der Anfangszeit entwickelt sich Hohenmölsen-Nord noch relativ separiert vom Rest der Stadt Hohenmölsen. Mit der ursprünglichen Bevölkerung Hohenmölsens hat man deshalb zunächst nicht viel zu tun.

 

Man kannte sich nicht

 

Gerade in der Anfangszeit fühlt sich Georg S. sehr unwohl in seiner neuen Wohnung im Plattenbau in Hohenmölsen-Nord.

 

Dreck und Schlamm

 

Erst mit der Zeit lernt er die Annehmlichkeiten zu schätzen, die die Umsiedlung mit sich brachte. Vor allem das lästige Kohlebriketts-Schleppen entfällt.

 

Briketts bis hier oben

 

Und auch die vielen Geschäfte in Hohenmölsen erhöhen langfristig die Lebensqualität. Nur der Zusammenhalt des alten Dorfes fehlt vielen Dobergastern wie Georg S.

 

Nicht mehr aufs Motorrad

 

(Text: cs; Interview: asm, jw)

Fazit und Vergleich der Umsiedlungen von Dobergast und Großgrimma

Rückblickend bewertet Hans Dieter F. die Umsiedlung von Großgrimma als gelungen. Die Bürger wurde angemessen entschädigt, der Prozess war sozial verträglich und die Bürger konnten die Umsiedlung mitgestalten. Die ehemaligen Dorfbewohner sind heute in die Gemeinschaft Hohenmölsen integriert und in einer “neuen Heimat” angekommen.

 

“Das Völkchen ist gut zusammengewachsen”

Im Vergleich dazu verliefen die Umsiedlungen von Dobergast, Queisau oder Steingrimma zu DDR-Zeiten vollkommen anders. Die Entschädigungszahlungen waren nicht nur geringer und wurden auf ein Sperrkonto eingezahlt, auf das die Umgesiedelten nur begrenzten Zugriff hatten und das im Todesfall sogar aufgelöst wurde. Vor allem aber wurde die Umsiedlung von oben herab geplant und durchgeführt. Die betroffenen Menschen hatten im Endeffekt kein Mitspracherecht.

 

Menschenunwürdige Umsiedlungen

 

Von oben herab

(Text: cs, Interview: asm, jw)

Dobergast – Ein Dorf zieht um

Dobergast befand sich im Süden des heutigen Bundeslandes Sachsen-Anhalt, ungefähr 26 km südwestlich von Leipzig. Durch die Erhebung des Erzgebirges und des Vogtlandes war dort vor Millionen von Jahren ein Becken entstanden, in dem sich organisches Material ablagerte. Dieses Becken wurde von Sedimenten überlagert, aus denen sich dann später die Braunkohle bildete und schließlich enormen Einfluss auf das Schicksal des Ortes Dobergast hatte. 1984 musste das Dorf dem Tagebau weichen und die Bevölkerung des Ortes wurde umgesiedelt. Dobergast war nun menschenleer und 881 Jahre Ortsgeschichte fanden ihr Ende.

Für die Dorfbewohner kam der Umzug nicht überraschend. Schon 1950 kursierten erste Gerüchte um einen möglichen Abriss des Ortes. Damals, als zunächst Pirkau und dann später Mutschau, Döbris und Köttichau der Kohle weichen mussten, wusste man, dass auch Dobergast irgendwann von der Landkarte verschwinden würde.

Schon lange vor der Umsiedlung der Dorfbewohner war Dobergast lange Zeit sog. „Bergbauschutzgebiet“. Das heißt, dass die SED-Kreisverwaltung und regionalen Behörden kaum noch in die Infrastruktur des Ortes und die Erhaltung des Wohnraums investierten, da klar war, dass das Dorf der Braunkohlenindustrie in absehbarer Zeit weichen sollte. Wohnungsfenster schlossen nicht mehr richtig, das Mauerwerk verfiel zusehends  und teilweise gab es kein fließendes Wasser. Das Wasser musste man dann mehrere Etagen hoch und wieder hinunter tragen. Deshalb fiel es nicht wenigen Menschen leicht, ihre alte Heimat hinter sich zu lassen, vor allem jungen Familien, die nun ihre eigenen vier Wände in Hohenmölsen-Nord bekamen. Für die Landwirte und die älteren Menschen aus Dobergast war es hingegen oft schwer, sich von ihren Höfen zu trennen, die ihre Familie schon seit Generationen bewohnt und bewirtschaftet hatte. Dementsprechend gab es ganz unterschiedliche Meinungen zum Abriss des Dorfes und zur Umsiedlung der Gemeinde. Die Entwicklung selbst war aber nicht mehr aufzuhalten und an Protest war angesichts der energiepolitischen Schlüsselrolle, die die SED der Braunkohle zu DDR-Zeiten zuwies, nicht zu denken.

Die ehemaligen Dobergaster fanden schließlich in Hohenmölsen eine neue Heimat. Im Norden der Kreisstadt standen ausreichende Neubauwohnungen für sie zur Verfügung. In Hohenmölsen-Nord war für 105 Haushalte des Dorfes eine neue Plattenbausiedlung errichtet worden. Bereits am 23.02.1979 zogen die ersten Mieter in den ersten fertig gestellten Wohnblock ein. Neben Wohnungen wurden auch eine Schule und ein Kindergarten gebaut, damit sich insbesondere junge Familien wohlfühlen konnten.

(am, jw & cs)

Ein Foto-Streifzug durch Hohenmölsen-Nord

Als das Dorf Dobergast 1984 dem Braunkohlentagebau weichen musste, fanden viele der Bewohner im Norden von Hohenmölsen ein neues Zuhause. Dort war bereits in den 1970er Jahren eine für die DDR typische Plattenbausiedlung errichtet worden, die zum damaligen Zeitpunkt einen enomen Fortschritt im Wohnungsbau bedeutete. Gerade weil Dobergast zum Bergbauschutzgebiet erklärt worden war und es nur noch eine Frage der Zeit war, bis das Dorf für die Kohlenförderung abgebaggert wurde, investierte man kaum noch in die Infrastruktur des Ortes. Die Straßen, die Kanalisation und das Stromnetz waren dementsprechend marode. Im Vergleich dazu erschienen die Wohnungen in der Plattenbausiedlung geradezu luxuriös. Zwischen 1979 und 1984 zogen nach und nach ehemalige Bewohner von Dobergast nach Hohenmölsen-Nord. Neben Wohnungen gab es dort eine Turnhalle und einen Sportplatz sowie eine Schule und einen Kindergarten. Das neue Wohngebiet sollte gerade für junge Familien besonders attraktiv sein. Heute sind bereits viele ehemalige Dobergaster weitergezogen. Die Bewohnerzahl in Hohenmölsen-Nord schrumpft. Einige Wohnblöcke wurden mittlerweile sogar abgerissen. Diese Foto-Strecke zeigt die neue Heimat “Hohenmölsen-Nord” der ehemaligen Dobergaster in ihrem heutigen Zustand.

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Blick auf einen der Plattenbaublöcke in Hohenmölsen-Nord.

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Die ehemalige Schule für Kinder aus Dobergast. Heute ist sie die Grundschule von Hohenmölsen-Nord.

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Zwei Kindergärten, die damals erbaut und bis heute genutzt werden.

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Spielplätze für die Kinder in Hohenmölsen-Nord, die mittlerweile erneuert wurden.

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Der damals neu gebaute Sportplatz und die neu errichtete Turnhalle findet man noch heute in Hohenmölsen-Nord.

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Es gibt viele Blöcke, die noch bewohnt sind…

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…, aber auch einige leere…

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und bereits abgerissene. Hier standen bis vor kurzem noch zwei Wohnblöcke.

(Text: cs & jw, Fotos: jw)